Um zu verstehen, welche Engpässe bei den unterschiedlichen Internetzugangstechniken auftreten können, ist es auch wichtig, die Teile des Netzes zu erkennen, die als „shared medium“ genutzt werden. Auf ein „geteiltes Medium“ (Leitung, Funkfrequenzen, etc.) greifen mehrere Teilnehmer so zu, dass die Nutzung andere Teilnehmer zur gleichen Zeit ausschließt. Die gesamte Übertragungsleistung wird auf alle Nutzer aufgeteilt, indem sie das Medium abwechselnd benutzen. Das ist eine Form von „Multiplexing“, auf das in einem späteren Abschnitt weiter eingegangen wird.
Es ist das Wesen von Netzwerken, dass nicht nur exklusiv nutzbare Verbindungen existieren. Das Ziel von Netzwerkarchitekturen ist aber, die Illusion der exklusiven Verbindung zu erreichen und unabhängig vom Nutzungsverhalten einzelner aufrechtzuerhalten. Die entscheidende Frage ist deshalb nicht, ob es ein geteiltes Medium gibt, sondern wo und wie leistungsfähig es ist. Vereinfacht gesagt ist ein geteiltes Medium problematischer, je weniger Nutzer es teilen. Das erscheint auf den ersten Blick unlogisch, ist doch ein Medium mit nur einem Nutzer überhaupt nicht problematisch. Aber dann ist es auch kein geteiltes Medium. Schon bei zwei Nutzern zeigt sich, was damit gemeint ist: Nehmen Sie z.B. eine Telefonleitung, die sie mit einer weiteren Person teilen. Nur eine Person kann gleichzeitig telefonieren. Besonders dann, wenn Sie keinen Einfluss darauf haben, wann der andere Nutzer telefoniert, kann das ganz schön störende Auswirkungen haben. Die Illusion der eigenen Telefonleitung ist dahin. Vier Personen mit zwei Telefonleitungen machen schon weniger Stress, weil Einschränkungen durch das geteilte Medium seltener vorkommen. Und so geht das weiter: Wenn die Anzahl der Nutzer steigt, wird die Auslastung des Netzes immer gleichmäßiger, so dass die Kapazität des geteilten Mediums immer weniger auf Extremnutzungsfälle ausgelegt werden muss. Dass von zwei Personen alle gleichzeitig telefonieren wollen, kommt oft vor. Der Eindruck einer exklusiv nutzbaren Telefonleitung setzt in dem Fall so viele Leitungen wie Nutzer voraus. Dass von 200 Personen alle gleichzeitig telefonieren wollen, kommt dagegen praktisch nie vor. Auch wenn weniger Leitungen als Benutzer vorhanden sind, hat jeder den Eindruck, eine eigene Telefonleitung zur Verfügung zu haben.
Telefonmodem: Bei der Datenübertragung über das Telefonnetz war das Shared Medium die Anzahl der Telefonleitungen. Sobald eine Verbindung zwischen den beiden Modems geschaltet war, stand diese exklusiv zur Verfügung. Problematisch war das dort, wo Ortsgespräche kostenlos waren: Mit dem Aufkommen der DFÜ wurden mehr und mehr Leitungen durch lang andauernde DFÜ-Verbindungen belegt, so dass teilweise keine Wählverbindungen mehr aufgebaut werden konnten.
DSL: Anders als die „circuit-switched“ Verbindungen des Telefonnetzes arbeitet DSL wie alle anderen Internetzugangstechniken seitdem auf der Netzseite mit paketvermittelter Datenübertragung. Die Anzahl der Leitungen ist daher keine Grenze mehr. In der Vermittlungsstelle steht ein DSLAM genanntes Gerät, das das Gegenstück zum DSL-Modem ist. Die Telefonleitung zwischen dem DSLAM und dem DSL-Modem steht exklusiv zur Verfügung, ist also auch kein geteiltes Medium. Bei DSL ist das geteilte Medium die Bandbreite, mit der der DSLAM an das Kernnetz des Internetproviders angeschlossen ist. Diese Bandbreite ist in der Regel kein Flaschenhals. Der Engpass liegt in der Leitung zwischen Vermittlungsstelle und Kundenanschluss: Die Kupferleitung dämpft das Signal in Abhängigkeit von Frequenz und Entfernung. Für hohe Übertragungsraten wird ein starkes und breitbandiges Signal benötigt. Bei einer langen Leitung ist das Signal aber insgesamt schwach und in den höheren Frequenzbereichen weiter abgeschwächt.
VDSL: Mit VDSL rückt die Vermittlungstechnik näher an den Kunden. Die DSLAMs befinden sich in Schaltschränken am Straßenrand, so dass die Verbindung zum VDSL-Modem nur noch wenige hundert Meter lang ist. Dadurch wird die entfernungsabhängige Dämpfung begrenzt. Durch die höheren Datenraten der einzelnen Anschlüsse müssen die DSLAMs aber eine entsprechend schnelle Verbindung an das Kernnetz des Providers bekommen. Diese Verbindung teilen sich alle VDSL Kunden, die an den jeweiligen DSLAM angeschlossen sind. Weil die Reichweite eines DSLAMs durch die Eigenschaften der Kupferkabel begrenzt ist, sind nur verhältnismäßig wenige Kunden an einen Outdoor-DSLAM angeschlossen, mit der Folge, dass die ausgleichenden Effekte großer Benutzergruppen noch nicht greifen. Wenn diese Verbindung daher zu knapp dimensioniert wird, kann hier abhängig vom Nutzungsprofil der Nachbarn ein Engpass entstehen. Allerdings ist eine Aufrüstung gut möglich, so dass das kein prinzipielles Problem darstellt. Wie bei DSL ist das Kupferkabel letztlich der begrenzende Faktor. Nennenswerte Geschwindigkeitssteigerungen sind nur noch von immer kürzeren Leitungen bis zum Modem des Kunden zu erwarten.
Kabelfernsehen: Das Koaxial-Breitbandkabelnetz wurde vielerorts rückkanalfähig gemacht und steht seitdem auch als Internetzugang zur Verfügung. Von der ursprünglichen Nutzung als Broadcast-System stammt noch die Netzarchitektur, bei der viele Kunden über Stichleitungen an eine Stammleitung angeschlossen sind. Alle Kunden an einem Segment der Stammleitung nutzen diese Leitung als geteiltes Medium mit einer Mischung aus Zeit- und Frequenzmultiplexing. Während bei (V)DSL die Eigenschaften des Telefonkabels die maximale Bandbreite begrenzen, die an einem einzelnen Anschluss angeboten werden kann, ist die Übertragungsleistung des Koaxialkabels sehr hoch. Damit können an einem Breitbandkabel-Anschluss nominell sehr hohe Bandbreiten angeboten werden. Die Technik kann diese Bandbreiten auch tatsächlich liefern, aber nur bis die gesamte Leistung des Netzsegments belegt ist, denn es ist ein geteiltes Medium. Die Versuchung, immer höhere Geschwindigkeiten an den Kundenanschlüssen anzubieten, obwohl dadurch die Gesamtbandbreite immer stärker überbelegt wird, ist sehr groß. Der Kunde merkt das daran, dass die versprochene Bandbreite nur dann tatsächlich zur Verfügung steht, wenn andere Teilnehmer das Netz wenig nutzen. Zu den Hauptverkehrszeiten bricht die Übertragungsgeschwindigkeit dagegen mehr oder weniger stark ein. Für den Netzbetreiber entsteht an der Stelle ein Dilemma: Durch Aufteilung des Segments kann die Zahl der Nutzer je Segment verringert und damit die Bandbreite pro Nutzer vergrößert werden. Aber erstens kostet diese Aufteilung natürlich Geld, und zweitens bedeuten weniger Teilnehmer ein schlechter vorhersagbares Nutzungsverhalten. Das Überbelegungsverhältnis muss deshalb kleiner ausfallen, wodurch der Bandbreitengewinn durch die Segmentteilung teilweise aufgewogen wird.
Konkret „verspricht“ z.B. Unitymedia für den 400Mbit/s Tarif eine übliche Bandbreite im 24-Stunden-Mittel von 85%. Das sieht zwar auf den ersten Blick nicht schlecht aus, aber als minimale Bandbreite wird nur 40% der Tarifgeschwindigkeit „versprochen“. Zusammen bedeuten diese Angaben, dass im Extremfall täglich sechs Stunden lang nur 40% der Tarifgeschwindigkeit zur Verfügung stehen können, ohne im 24-Stunden-Mittel 85% zu unterschreiten. Tatsächlich gesteht Unitymedia in den „Besonderen Geschäftsbedingungen Internet und Telefonie“ ein, dass aufgrund des geteilten Mediums auch die Minimalbandbreite noch deutlich unterschritten werden kann. Für die ohnehin nicht üppige Upstream-Bandbreite werden 90% im Durchschnitt und 50% als Minimum angegeben.
Glasfaser bis in die Wohnung (FTTH): Es gibt verschiedene Arten von FTTH Anschlüssen. Bei einigen teilen sich mehrere Anschlüsse die Bandbreite einer Glasfaser. Mehr dazu im Abschnitt Multiplexing. Im Netz der Deutschen Glasfaser steht aber jedem Anschluss eine exklusive Glasfaserleitung bis zum PoP zur Verfügung. Die große Zahl der Nutzer an einem PoP in Verbindung mit der großzügigen Auslegung der Anbindung vom PoP an das Kernnetz lässt keinen Engpass erwarten. Durch die gute Zugänglichkeit des PoPs stehen auch einer Aufrüstung auf noch schnellere Verbindungen keine technischen Hürden im Weg.